Donnerstag, 24. April 2008

Goodwill visit

Eine Delegation des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages, wurde am 16. April bei der Besichtigung der Altstadt von Hebron von jüdischen Siedlern durch Beleidigungen und Drohungen so massiv gestört, dass die Besuchsroute geändert werden musste. Sicherheitskräfte waren vor Ort, griffen aber nicht ein. Jerzy Montag, Leiter der Delegation: "Wir wissen, es sind nur ganz wenige. Aber es ist nicht hinnehmbar, dass dem nicht ein Ende bereitet wurde." Soweit die Grüne Version.

Unschuldige Parlamentarier, die nur mal eben die Altstadt von Hebron besichtigen wollen und dann, ganz ohne Grund verflucht, beleidigt, bedroht und sogar als Nazis beschimpft werden. So böse sind also die Siedler von Hebron. Und dann werden die Freunde Israels auch noch von der IDF im Stich gelassen.

Die Deutschen waren so geschockt und aufgebracht, dass sie sich entschieden ihren Besuch abzubrechen und Israel unter Protest umgehend zu verlassen.


In der Version von Jerzy Montag fehlen zwei nicht ganz unwichtige Details.

Das erste: die sieben Deutschen waren nicht allein:
"Begleitet wurden die Parlamentarier von einer linksextremen Organisation, welche die jüdischen Siedler aus Hebron vertreiben will und die IDF und Israel verleumdet," so Noam Arnon, der Sprecher der Siedler. Abgeordnete aus europäischen Staaten ohne "feindliche Begleitung" sind lt. Arnon durchaus willkommen.

Das zweite: Nach Aussage des israelischen Außenministeriums war der Ausflug nach Hebron nicht mit den israelischen Behörden abgesprochen, daher konnten keine Vorbereitungen für die Ankunft der Delegation getroffen werden.

Dass die Siedler in Hebron nicht den Durchschnittsisraeli repräsentieren, sondern auch in Israel als Extremisten gelten, sollte bekannt sein. Dass sie von "Menschenrechtlern" regelmäßig als Anschauungsobjekt für die Unmenschlichkeit und Brutalität der israelischen Besatzer Touristengruppen vorgeführt zu werden, hat ihre Einstellung zu linksextremen Friedensaktivisten wohl auch eher negativ beeinflusst, es gab bei solchen Touren schon mehrfach Auseinandersetzungen zwischen Siedlern und "Touristen".

Die deutschen Politiker entscheiden sich trotzdem (oder deshalb) für einen Besuch Hebrons und nehmen ausgerechnet Yehuda Shaul und seine Freunde mit. Die Provokation gelingt, es gibt ein paar Beleidigungen (die nicht ausschließlich den Parlamentariern galten) - schon sich geben sich die Mitglieder des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages empört, reisen aus Protest Hals über Kopf ab, stellen Forderungen ("In order to give the peace process a chance, the members of the law committee, as friends of Israel, appeal to the Israeli authorities to rein in the fanaticism of Jewish settlers.") und verlangen eine Entschuldigung für das Verhalten der israelischen Sicherheitskräfte.

Dabei hätte ein Blick auf die Seite des AA genügt, um auf die Tour gänzlich zu verzichten:

Sicherheitshinweise für die Westbank

Von Reisen in die Westbank wird grundsätzlich abgeraten. Aufgrund der intensiven bewaffneten Auseinandersetzungen im Gazastreifen liegt aktuell auch im Westjordanland ein erhöhtes Risiko vor. ... Es wird empfohlen, die Lage in den Medien aufmerksam zu verfolgen, die tagesaktuellen UN Sicherheitshinweise zu beachten und Fahrten im Westjordanland auf das unerlässliche Minimum zu reduzieren. Fahrten in die nördliche Westbank (insbesondere Jenin, Nablus, Tulkarem), aber auch nach Hebron sollten gegebenenfalls eng mit dem deutschen Vertretungsbüro in Ramallah abgestimmt werden.

Von überflüssigen Fahrten wird ausdrücklich abgeraten, für die deutsche Delegation zählt ein Besuch Hebrons demnach zum "unerlässlichen Minimum". Warum? Ein Blick auf das Besuchsprogamm lässt die Antwort erahnen: Baruch Goldsteins Grab, das Erzvätergrab, die Shuhadastrasse, die von den Siedlern bewohnten Gebiete und der Besuch einer palästinensischen Familie.

Eine Reise, die Vorurteile gegenüber Israel schürt ist für deutsche Politiker (die sich im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages im übrigen gar nicht mit dem Nahostkonflikt befassen) wohl wirklich unerlässlich - liefert sie doch die Munition für die berechtigte Israelkritik, die zu üben jeder Freund Israels verpflichtet ist. Wie praktisch, da schon mal das konzentrierte Böse in Form der Hebronsiedler mit eigenen Augen gesehen und bei einem Gläschen Pfefferminztee von der Brutalität der Israelis mit eigenen Ohren gehört zu haben.

Der israelische Botschafter in Deutschland, Yoram Ben-Zeev, hat sich
bereits bei den Politikern entschuldigt. Von einer Entschuldigung der deutschen Regierung für das inakzeptable Verhalten ihrer Delegation ist nichts bekannt.

Mittwoch, 9. April 2008

Der Name des Spitzels

Es war einmal ein Stasispitzel, dessen Namen heute niemand wissen soll. Nennen wir ihn S.

S. schlich sich 1980 unter seinem bürgerlichen Namen bei der Jungen Gemeinde in Reichenbach ein, seine Freunde vom MfS nannten ihn "IM Schubert". Die hatten an ihrem jungen Spitzel viel Freude, schließlich konnten sie schon nach kurzer Zeit aufgrund seiner Berichte vier Staatsfeinde einsperren. Für die hervorragende Leistung zeigte sich die Stasi erkenntlich: Geld, Reisen, Kredite - das Spitzelhobby brachte S. ordentlich was ein.

Und so blieb er dabei. Aus dem Oberschüler S. wurde der Student S., sein neues Revier war die Studentengemeinde in Freiberg. "Im Alter von 22 wurde "Schubert" im Auftrag der Staatsmacht Christ." (Spon) S. ließ in Freiberg von dem Studentenpfarrer Klaus Goldhahn, einem "Zielobjekt" taufen - auch auf der Taufurkunde steht sein "richtiger" Name.

S. spitzelte bis November 1989 für die Stasi, wie vielen Menschen aufgrund seiner Berichte das Leben zur Hölle gemacht wurde, ist unbekannt. Denn nicht immer wurden Stasiopfer sofort verhaftet, verurteilt oder in den Westen abgeschoben (letzteres passierte wohl hauptsächlich der DDR-Oppositionsprominenz). Nach dem offenen Terror der Ulbrichtjahre setzte das MfS zunehmend auf die "Zersetzung" von "feindlich-negativen" Individuen und Gruppen.

Sandra Pingel-Schliemann beschreibt in ihrer Studie „Zersetzen. Strategie einer Diktatur“ Ziele und Strategien dieser Unterdrückungsmethode.

Zersetzungsmaßnahmen sollten "das Selbstvertrauen und das Selbstwertgefühl eines Menschen untergraben, Angst, Panik, Verwirrung erzeugen, einen Verlust an Liebe und Geborgenheit hervorrufen sowie Enttäuschungen schüren - also all solche Gefühle, die einen Menschen unglücklich und unzufrieden machen."1

Und die Stasi hatte keinerlei Skrupel bei der Wahl ihrer Mittel. Strategien der Zersetzung gegen Individuen waren zum Beispiel das Inszenieren beruflicher Misserfolge, das Zerstören von Liebesbeziehungen, das Entfremden der Kinder von ihren Eltern, das Verbreiten von Gerüchten (Unterstellen einer Kooperation mit dem MfS z.B.), falsche ärztliche Gutachten (3-5% der DDR-Ärzte arbeiteten für das MfS),demonstratives Beobachten, Telefonterror oder das Kriminalisieren wegen unpolitischer Delikte.

Ein wesentliches Charakteristikum der Zersetzung war Anonymität - die Betroffenen selbst konnten die Verfolgungsmaßnahmen häufig nicht mit dem MfS in Verbindung bringen und selbst wenn sie es vermuteten, konnten sie es nicht beweisen oder sich dagegen zur Wehr setzen. In der Regel machten die Opfer andere für die Krisen verantwortlich, die Familie, die Freunde, Mitglieder aus der Oppositionsgruppe, was zu neuen Konflikten führte, weil die Vorwürfe unberechtigt waren.

Pingel-Schliemann: „Betroffene mussten sich gar von anderen vorwerfen lassen, das sie halluzinieren. In der Folge begannen sich einige selbst für „verrückt“ oder „krank“ zu erklären. Die Wirkung anonymer Verfolgung ist nicht zu unterschätzen. MfS-Mitarbeiter drangen zum Beispiel mit Nachschlüsseln in die Wohnung eines ihrer Opfer ein, um dort Gegenstände neu zu sortieren. Einmal verhängten sie die Bilder in der Wohnung von Frau R. Beim nächsten heimlichen Einbruch verstellten sie nur die Gewürzdosen in der Küche. Ein anderes Mal tauschten sie den Lieblingstee der Frau durch eine andere Sorte aus. Die Mitarbeiter kamen wieder und wieder. Sie ließen sich jeweils etwas Neues einfallen. So hängten sie auch die Handtücher in dem Badezimmer von Frau R. ab und ordneten die Blumentöpfe auf ihren Fensterbänken neu. Als Frau R. ihren Freunden von den Vorgängen in ihrer Wohnung erzählte, glaubten sie ihr nicht: “Wir konnten uns doch auch nicht erklären, warum einer die Handtücher abhängen sollte.“ ... Psychologen konstatieren: „Wer mit solchen Zersetzungsmaßnahmen bearbeitet wurde, war nicht nur irritiert, sondern hier begann ein Prozess der Realitätsdiffusion, der letztendlich eine Psychose auslösen konnte.“ 2 (S.196) Frau R., die als Ärztin am Anna-Hospital in Schwerin arbeitete, wurde auch in ihrer Berufsausübung massiv durch Mitarbeiter des MfS (der Chefarzt war IM) beeinträchtigt. Die Zersetzungsstrategie war -aus Sicht des MfS- erfolgreich. Wenige Monate nach dem politischen Umbruch in der DDR nahm sich Frau R. das Leben.

An die für diese Zersetzungsmaßnahmen notwendigen Informationen gelangte das MfS unter anderem durch die Arbeit seiner IM. „Es galt in der geheimpolizeilichen Arbeit immer der Grundsatz: den „schwächsten Punkt“ oder die „empfindlichste“ Stelle der verfolgten Person herauszufinden. Jedes Detail aus dem Leben einer oppositionellen Persönlichkeit, all ihre Stärken und Schwächen wurden für den Staatssicherheitsdienst von Interesse.“ (S.198)

IM wurden mit ganzen Fragekatalogen auf ihre Opfer angesetzt, darunter völlig Banales (Wo stellt X sein Auto ab?) aber auch viel Persönliches (Verhältnis zur Ehefrau, zu den Kindern, Verhalten und Kontakte der Ehepartner und Kinder).

Heute verstecken sich die Täter hinter der vermeintlichen Harmlosigkeit ihrer Handlungen. Ein paar Blumentöpfe verrücken, Tee austauschen, Handtücher umhängen - na und, alles kein Verbrechen, hat keinem geschadet, Schwamm drüber. Ein paar Informationen weitergegeben, die sich jeder hätte beschaffen können, was soll daran schlimm sein? Und sie kommen damit durch, das Verständnis für den „kleinen IM“ ist im Osten nahezu unbegrenzt.

Im Rahmen der Ausstellung „Christliches Handeln in der DDR“ wurde einer dieser IM, S., namentlich genannt. S. alias „IM Schubert“ streitet seine Arbeit für die Stasi nicht ab, er fühlt sich also verleumdet, sondern in seinen Persönlichkeitsrechten eingeschränkt. Und bekommt auch noch vor dem Zwickauer Verwaltungsgericht recht! Vorläufig.

Des Ex-Spitzels Anwalt Thomas Höllerich, Politiker der SED PDS Partei "Die Linke", fürchtet gar Pogrome gegen Ex-Spitzel:

"Irgendwann werden dann Horden von Menschen, die einen roten Stern und einen Aufdruck IM haben durch Reichenbach getrieben, weil das Geschichtsaufarbeitung ist." Hier im Original zu hören: http://www.mdr.de/laenderzeit/5365450.html

Wie viele Ex-IM gibt es, wenn Höllerich befürchtet, ganze „Horden“ von ihnen könnten allein durch das kleine Reichenbach getrieben werden? Sind die Täter von damals wirklich die Opfer von heute, nur weil einer von ihnen aus seiner Anonymität geholt wird?

Nein, die Täter von gestern haben keine Angst vor ihren Opfern. Sie brauchen die Anonymität, das Verschweigen ihrer Vergangenheit, um heute ungestört die Strippen ziehen zu können.


1) Sandra Pingel-Schliemann, Zersetzen. Strategie einer Diktatur. Berlin 2004, S.188.

2).Ebd. S.196

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Update: Das Landgericht Zwickau hat gestern die Verfügung gegen die Stasi-Ausstellung aufgehoben, weil der Ex-Stasispitzel S. gegen die falsche Partei geklagt hat. S. wird jetzt ein neues Verfahren anstrengen, Anwalt Höllerich droht schon mit der nächsten einstweiligen Verfügung.



Mittwoch, 2. April 2008

Kollektivhaftung

"Man kann doch nicht ein ganzes Volk für die Verbrechen Einzelner bestrafen" ist so eine Phrase die man immer wieder hört, wenn Israel versucht, seine Bevölkerung vor arabischem Terror zu schützen.Israel hat kein Recht, sich durch einen Zaun vor Fleischbomben zu schützen, weil dadurch auch die "unschuldigen Palästinenser" in ihren Rechten eingeschränkt werden. Sogar die Kontrolle von Arabern an Checkpoints wird als entwürdigend angesehen - schließlich hat nicht jeder von denen eine Bombe dabei, und man kann sie ja nicht alle unter Generalverdacht stellen. Das ist rassistisch.

Israel hat ebenfalls kein Recht, auf den täglichen Raketenbeschuss durch die Hamas zu reagieren. Denn dabei können auch "unschuldige Palästinenser" verletzt oder getötet werden. Allein die Ankündigung (!) Israels, als Reaktion auf den Kassambeschuss stundenweise die Stromlieferung nach Gaza zu reduzieren, wurde als inhumaner Akt verurteilt, da auch die Zivilbevölkerung betroffen wäre, die keinesfalls für die Taten der Hamas verantwortlich sei und daher auch nicht bestraft werden darf.

Nach den Anschlägen New York, London, Madrid, Bali oder Djerba mit Hunderten von Toten und Verletzten wurde sehr schnell zur "Besonnenheit" gemahnt. Keinesfalls dürfe man für die Taten einzelner Radikaler alle Muslime verantwortlich machen, da die große Mehrheit der Muslime friedlich ist und Terror ablehnt.

Terroranschläge werden immer nur von "Einzeltätern" ausgeführt,unabhängig davon wie groß die Organisation ist, die hinter den Anschlägen steckt und von wie vielen Ländern sie finanziert wird. Sanktionen gegen den Iran zu fordern, dessen erklärtes Ziel es ist, Israel zu vernichten, ist extrem unpopulär, obwohl die Finanzierung der Hamas durch Teheran genausowenig ein Geheimnis ist, wie das militärische Ziel des iranischen Atomprogramms. Den Iran boykottieren? Nein, das würde ja nur die Falschen treffen, die Bevölkerung, die niedlichen persischen Kinder.

Völlig anders sind die Reaktionen, wenn sich Muslime irgendwie vom Westen gekränkt fühlen, sei es durch Zeichnungen, sei es durch einen Film. Dann wird Bestrafung eines möglichst großen Kollektivs schnell zur religiösen Pflicht.

Brennende Fahnen, brennende Botschaften, ermordete Christen - die Reaktion der aufgehetzten Muslime in den arabischen Ländern auf die Mohammed-Karikaturen war keineswegs "besonnen". Der Aufruf zum Boykott dänischer Waren (zuletzt durch den Sudan, immerhin zweieinhalb Jahre nach dem Erscheinen der Zeichnungen) sollte nicht nur die Karikaturisten oder Jyllands Posten treffen, sondern alle Dänen / Europäer / Christen - den "Westen". Gravierende Konsequenzen für die eigene Bevölkerung werden in Kauf genommen, so boykottierten pakistanische Ärzte als Reaktion auf die Mohammed-Karrikaturen europäische Medikamente und halfen ihren Patienten mit "alternativen" Heilmitteln.

Eine knappe Woche nach der Veröffentlichung des Wilders-Films soll nun Holland boykottiert werden. Die islamische Partei PAS in Malaysia fordert "die Muslime der ganzen Welt dazu auf, ab sofort alle niederländischen Produkte zu boykottieren". Den Anfang machen die Kunden der Supermarktkette "Mydin". Wie Spon berichtet, werden dort rote Warnhinweise auf holländische Produkte geklebt und an die Kunden, Muslime wie Nichtmuslime, appelliert, diese zu boykottieren. Myrin bietet also Waren zum Boykott an! Erinnert an Flaggen-Schlüter, der in Ramallh dieser Tage wohl auch wieder viel zu tun hat: "Aber vielleicht möchten sie ja mein dänisches Pundergebäck boykottieren? ... Wieviel wollen Sie denn nicht kaufen?"

Beschämend das Verhalten der niederländischen Geschäftsleute, die Wilders (!) verklagen wollen, wenn es zu einem Boykott kommt. In vorauseilendem Gehorsam akzeptieren sie die völlig überzogene Reaktion der muslimischen Seite, nur die unangenehmen Folgen der Kollektivstrafe sollen auf einen einzelnen "Schuldigen" abgewälzt werden.