Montag, 3. März 2008

Mittelmeerunion

Die Idee, Nordafrikas demographisches Problem lasse sich durch den "Export" perspektivloser jungerMänner nach Europa lösen, spielt offensichtlich auch bei der von Frankreich angedachten Schaffung einer "Mittelmeerunion" eine tragende Rolle.

Die folgenden Karten stammen aus der Sendung "Mit offenen Karten", deren Thema am Samstag die Mittelmeerunion war. Diese neu zu schaffende Union soll die EU-Anrainer des Mittelmeers, die Staaten Nordafrikas und des Nahen Ostens (einschließlich der "Palästinensichen Autonomiebehörde") umfassen, Ex-Jugoslawien bleibt draußen.

Die erste Karte zeigt das Nord-Süd-Gefälle der Fertilitätsrate: Die Fertilitätsrate ist in Südeuropa nur halb so hoch wie in den südlichen Mittelmeerländern - für eine gleichbleibende Bevölkerung ohne Zuwanderung braucht man eine Gesamtfruchtbarkeitsrate von 2 Kindern pro Frau, ein Wert, den Frankreich und Tunesien erreichen. Statistisch gesehen ist das Bevölkerungsproblem nicht so gravierend, sieht man mal von den Palästinensergebieten ab.

Frankreich

2,0


PA

4,6

Zypern

1,5


Jordanien

3,5

Italien

1,4


Syrien

3,5

Spanien

1,4


Ägypten

3,1

Portugal

1,4


Libyen

3,0

Malta

1,4


Israel

2,8

Griechenland

1,3


Marokko

2,4




Algerien

2,4




Libanon

2,3




Türkei

2,2




Tunesien

2,0


Gesamtfruchtbarkeitsraten in der"Mittelmeerunion" (Quelle)

Der arte-Kommentar "Eine unzureichende wirtschaftliche Entwicklung bei starkem Bevölkerungswachstum bedroht die Stabilität, was letztendlich eine politische Rolle spielen kann" ist nicht ganz falsch, jedoch so allgemein gehalten, dass man sich ihn auch sparen könnte. Welche Stabilität wird durch das Bevölkerungswachstum bedroht? Und wo? Instabile Länder wie Algerien oder der Libanon haben kein besonders hohes Bevölkerungswachstum, die Instabilität darauf zurückzuführen, ist nichts als Propaganda.

Wie die folgende Karte ("Migrationsdruck") verdeutlicht, kommen die Migrantenströme denn auch nicht unbedingt aus den Mittelmeerländern, sondern aus Afrika/Asien über die südlichen Mittelmeerländer nach Europa.arte-Kommentar: "Die Pfeile verdeutlichen die wichtigsten Wege, auf denen Migranten aus Afrika und dem Nahen Osten nach Europa kommen. Die wirtschaftliche Situation führt dazu, dass viele junge Männer vom Südufer des Mittelmeeres aus versuchen, in die Länder der Europäischen Union zu gelangen, um dort Arbeit zu finden. Und zu den wirtschaftlichen kommen häufig historische und familiäre Gründe."

Nur dass die "vielen jungen Männer" kaum eine Chance haben, Arbeit in Europa zu finden. Viele von ihnen landen über kurz oder lang im Netz eine europäischen Sozialstaats - und merken, dass sie dort ohne Arbeit besser überleben können, als in ihren Heimatländern. In Deutschland werden in jedem Jahr Erntehelfer aus Osteuropa angeheuert, obwohl die Arbeitslosenquote unter den Arbeitsmigranten ("Gastarbeitern") und ihren Nachkommen hoch ist.

Viele potentiell fleißige junge Männer schaffen den Sprung nach Europa nicht. Wie arte suggeriert, besteht in Europa ein Lagersystem, das bestrebt ist, die fleißigen Migranten im bevölkerungsarmen Europa von der Arbeit abzuhalten: arte-Kommentar: "Die Migranten werden in der EU oder unweit ihrer Grenzen in Lagern (rote Punkte) festgehalten, bis sie einreisen dürfen oder abgeschoben werden. Die Migration dient meistens als Thema für die Politik oder -schlimmer noch- für die Politiker, ohne dass in Betracht gezogen wird, dass den wirtschaftlichen Bedürfnissen des Südens ein Bevölkerungsdefizit im Norden entspricht."

Die zweite und dritte Karte haben schon nichts mehr mit einer "Mittelmeerunion", die das Thema der Sendung war, zu tun, sondern betreffen Europa insgesamt. Die Mehrzahl der "Lager, in denen Migranten festgehalten (!) werden" befindet sich offenbar in Mittel- bzw. Westeuropa.

Und natürlich darf auch das Märchen vom "Bevölkerungdefizit", welches nur durch die Migranten aus dem Süden behoben werden kann, nicht fehlen. Kein Wort darüber, dass man die Bevölkerung eines Landes nicht einfach mit Menschen aus anderen Ländern "auffüllen" kann. Arbeitskräfte lassen sich "auffüllen", je geringer die benötigte Qualifikation, desto leichter. Aber wie aus diesen gering qualifizierten Arbeitskräften langfristig Bürger eines Staates werden sollen, also "Einheimische", die sich selbst so sehen und auch so wahrgenommen werden, bleibt eines der großen Geheimnisse der Migrationsforscher.

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