Der Liberalen/ Linken/ Grünen Lieblingsmuslime sind die Aleviten. Sie brauchen keine Moscheen, die Frauen tragen kein Kopftuch und an religiösen Zeremonien beteiligen sich Männer, Frauen und Kinder gleichermaßen - es ist also alles viel "fortschrittlicher" als bei anderen Muslimen oder bei den Katholiken.
In ihrer Vorstellung von "Ehre" und der Stellung der Frau im alltäglichen Leben ist der Unterschied zu den sunnitischen Türken jedoch nicht groß, auch bei den Aleviten ist die Frau die Ehre des Mannes.
Necla Kelek stellt im ersten Teil ihres Buches "Die verlorenenSöhne. Plädoyer für die Befreiung des türkisch-muslimischen Mannes" die Lebenswege türkischer Männer vor, die eines gemeinsam haben: sie sitzen in einem deutschen Gefängnis. Die Männer kommen aus unterschiedlichen Kulturen, sie sind Kurden, Tscherkessen, Iraner und eben Aleviten.
Die Geschichte von Yilmaz, dem Aleviten, unterscheidet sich nicht grundsätzlich von denen der anderen Männer, auch er ist weniger ein Opfer der deutschen Gesellschaft als ein Opfer traditioneller Zwänge, die sein Leben bestimmen.
Yilmaz hatte als ältester Sohn, als "Abi" bereits früh viele Pflichten, nach dem Tod seines Vaters ist er mit 17 Jahren der älteste Mann in der Familie und daher für diese verantwortlich. Verantwortlich heißt in der Türkei auch finanziell verantwortlich, da ein Sozialhilfesystem wie in Deutschland nicht existiert. Yilmaz muss sich Gedanken machen, wovon seine Familie (über)leben soll, wenn er zum Militär eingezogen wird.
Yilmaz findet eine Lösung, er verheiratet seine Schwestern (15 und 16 Jahre alt) und verkauft die Werkstatt seines Vaters, um mit dem Geld Mutter, Großmutter und die fünf kleinen Geschwister über Wasser halten zu können.
Seine Zukunft soll in Deutschland liegen, der Onkel schickt ein Brief mit dem Foto eines Mädchens : "...die Familie überlege, sie mit ihm zu verheiraten. Yilmaz schrieb seiner Mutter, dass er ihr die Entscheidung überlasse."
Eine eigene Entscheidung zu treffen kommt für den jungen Mann nicht in Frage: "Da mein Vater tot war, oblag es nach unserer Tradition, wir sind Aleviten, meinem Onkel, für meine Verheiratung zu sorgen und die Hochzeit auszurichten. Er hat alles geplant und vorbereitet, ich musste nur kommen. Auf der Hochzeitsfeier sah ich meine Frau dann zum ersten Mal. Vierzig Tage waren wir zusammen, dann ging sie zurück nach Deutschland."
Das Paar kann nicht, wir geplant, in Deutschland leben, nach ein paar Jahren scheitert die Ehe. Die gemeinsamen Kinder werden Yilmaz zugesprochen. "Der Staat vertraut dem Mann eben mehr", meint Yilmaz. "Außerdem gehören die Kinder dem Mann."
Nach der Trennung schafft es Yilmaz dann doch, nach Deutschland einzureisen, er heiratet eine Deutsche, auch diese Ehe geht schief. Von deutschen Frauen hält Yilmaz danach nicht mehr viel:
"Wenn ich noch einmal heirate, dann nur eine Türkin. Die deutschen Frauen entscheiden selbst über ihr Leben. Das dürfen unsere Frauen nicht. Für uns Männer ist wichtig, dass unsere Frauen sauber sind. Dass sie unser Haus sauber halten. Dass das Essen auf dem Tisch steht, wenn wir nach Hause kommen. Die Frau ist die Ehre des Mannes. Sie hat zu tun, was der Mann von ihr verlangt. Wenn sie anfängt, selbst Entscheidungen zu treffen, dann gibt es Streit."
Yilmaz, der Alevit, unterscheidet sich in seiner Auffassung von Ehre und Familie in nichts von seinen sunnitischen Brüdern. Die Frauen mögen in religiösen Belangen gleichberechtigter erscheinen, was die Kontrolle über ihr Leben betrifft, sind sie es nicht.
Und noch ein Yilmaz-Satz am Ende: "Wenn es das deutsche Sozialsystem nicht gäbe, waren wir nicht hier. In den türkischen Cafés gibt es nur ein Thema: Warum sind wir nicht in unserer Heimat? Wie sind wir bloß hierher geraten? Wenn wir doch bloß das gute System der Deutschen hätten, würden iwr hier nicht versauern."
(Alle Zitate aus: Necla Kelek, Die verlorenen Söhne. Plädoyer für die Befreiung des türkisch-muslimischen Mannes, Köln 2006, S.71-75.)
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