Sonntag, 4. Mai 2008

Fundamentalismus, objektiv betrachtet

Israel wird 60 - da will das deutsche Fernsehen nicht abseits stehen und sendet fleißig Dokumentationen über den Nahostkonflikt - so als ob der mit der Gründung Israel begonnen hätte.

Besonders beliebt sind Gegenüberstellungen von Israelis und "Palästinensern", wobei die Juden immer schlecht wegkommen.

Der Film "Fanatisch, fundamentalistisch, fromm" schafft es, nicht nur die Israelis, sondern auch die Amerikaner schlecht aussehen zu lassen.

Der Zuschauer soll daran erinnert werden, dass es in allen Religionen "fundamentalistische Strömungen" gibt. Man vergisst diese Tatsache schnell, da nur die Fundamentalisten einer Religion in unterschiedlichen Weltgegenden gegen ihre andersgläubigen Mitbürger mit Gewalt vorgehen: fundamentalistische Moslems gegen Hindus in Indien, fundamentalistische Moslems gegen Buddhisten in Thailand, fundamentalistische Moslems gegen Juden in Israel, fundamentalistische Moslems gegen Christen in Darfur, fundamentalistische Moslems gegen Atheisten in Europa usw. Aber da ein Film über islamischen Fundamentalismus sich schon aus Sicherheitsgründen verbietet, versteckt man die muslimischen Fundis zwischen Christen und Juden.

Fundamentalistische Christen sind selbstverständlich die Evangelikalen in den USA. Begründung: sie setzen sich aus religiösen Gründen bei politischen Nahostkrisen für Israel ein, außerdem glauben sie nicht an die Evolution, sondern an die biblische Schöpfungslehre.

Die fundamentalistischen Juden werden von einer Siedlerin repräsentiert, die davon überzeugt ist, dass Gott das Heilige Land den Juden versprochen hat. Von Gewalt oder einem Gottesstaat hält sie nichts: "Wir sind sicher nicht wie die islamischen Fundamentalisten, die mit Terrorismus und Massenmord einen Gottesstaat errichten wollen."

Das Vorzeigen der christlichen und jüdischen Fundamentalisten nimmt ca. 35 Minuten in Anspruch, bleiben also noch knapp zehn für die Islamisten.

Aber: man traut sich nicht ran. Gezeigt werden Straßenszenen aus dem Jemen, verschleierte Frauen ("Tradition"), niedliche Kinder. Ein freundlicher muslimischer Händler läd zum Essen, nach Geschlechtern getrennt, aber auch das ist Tradition. Man erfährt, das nur Jungen das Geschirr und die zubereiteten Speisen bereitstellen dürfen und auch nur Jungen dürfen nach dem Essen wieder abräumen. Interessant, aber was hat das mit Fundamentalismus zu tun?

Zum Schluss ein Besuch in der Bibliothek einer Moschee: ein alter, ebenfalls sehr freundlicher Scheich führt stolz alte Prachtausgaben des Koran vor. Fundamentalismus?

Ein bisschen "Befreiungsrhetorik", mehr nicht. Auf jedem Berliner Schulhof erfährt man mehr über islamischen Fundamentalismus, als in dieser "Reportage" aus dem zutiefst friedlichen Jemen.

Fazit: Fundamentalismus gibt es hauptsächlich unter Christen und Juden, in den USA und in Israel. Muslime haben nur Traditionen und sind ansonsten sehr sehr friedlich. Amen.

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Es gibt zum Glück auch Filme, die vom üblichen Schwarz-Weiß-Schema abweichen, wie zum Beispiel "Sharon", ein Portät des durchaus auch im eigenen Land umstrittenen PMs Ariel Sharon, oder "Wenn ihr wollt, ist es kein Märchen" über die Embryonalphase Israels.

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