Sonntag, 25. Mai 2008
Dienstag, 6. Mai 2008
Somewhere over the Rainbow
Fettleibigkeit wird in einigen Kulturen verteufelt, besonders in solchen, in denen Nahrung billig und im Überfluss vorhanden ist. Fett ist faul/hedonistisch/disziplinlos und daher schlecht. Und ungesund: Diabetes, Bluthochdruck, kaputte Gelenke. Mindestens.
Fettleibigkeit gilt als Zivilisationskrankheit, betroffen hauptsächlich die Armen der ersten Welt, die ihr Leben mit Fastfood und Fernsehen füllen. Der fette Amerikaner -bizarre Klamotten, debiles Lächeln- mit dem Burger in der einen und der Coke in der anderen Pranke ist der Stereotyp des dekadenten Westlers.
Dabei sind die Amerikaner -statistisch betrachtet- keineswegs die fettesten Menschen auf diesem Planeten. Die folgende Karte zeigt den Anteil übergewichtiger erwachsener Frauen bezogen auf die erwachsene weibliche Bevölkerung, die Top 5 jeweils mit prozentuellen Angaben.
Den höchsten Anteil an übergewichtigen Frauen hat zweifellos die Südsee, Nauru schlägt das auf königliche Diät gesetzte Tonga. Leider bilden die Südsee und Südostasien eine Region, die bevölkerungsreichen Länder (China, Indien, Indonesien) haben offenbar nur einen sehr geringen Anteil an fetten Frauen.
Auf Platz zwei landet -regional- der Nahe Osten. Fette arabische Frauen? Warum nicht. Der Begriff "Pinguin" leitet sich schließlich vom lateinischen "pinguis" ("fett") ab. Die arabische Küche ist lecker und kalorienreich, oppulente Mahlzeiten sind ein wichtiger Teil der arabischen Kultur.
Aber: auch dort fällt Manna nicht einfach vom Himmel. Fettleibigkeit setzt die Verfügbarkeit hochkalorischer Nahrung voraus oder kurz: wer fett ist, hat mehr als genug zu essen.
Das stets vom Hunger bedrohte "Palästina" landet in den Top 5 im Nahen Osten zwar nur auf Platz 4 (Abstand zum reichen Saudia 1%), ist mit einem Anteil von 43% fettleibiger Frauen aber global in der Spitzengruppe. Die fetten Amis bringen es gerade mal auf 33%.
43% der erwachsenen "palästinensischen" Frauen sind fettleibig, d.h. sie haben nicht nur ein paar Pfunde zuviel, sondern deutliches Übergewicht. Das Land, in dem fast jede zweite Frau übergewichtig ist, braucht trotzdem Unterstützung durch die UN. Mehl kann man schließlich nie genug haben, und die läppischen 1.014.900 kcal pro Nablus-Einwohnerin zusätzlich (wie von BEER7 errechnet) werden schon irgendwie verstoffwechselt.
Hoffentlich werden sie davon nicht nur fett, sondern auch freundlich und friedlich.
Vielleicht so ein bisschen wie Israel Kamakawiwo'ole ...
Sonntag, 4. Mai 2008
Fundamentalismus, objektiv betrachtet
Besonders beliebt sind Gegenüberstellungen von Israelis und "Palästinensern", wobei die Juden immer schlecht wegkommen.
Der Film "Fanatisch, fundamentalistisch, fromm" schafft es, nicht nur die Israelis, sondern auch die Amerikaner schlecht aussehen zu lassen.
Der Zuschauer soll daran erinnert werden, dass es in allen Religionen "fundamentalistische Strömungen" gibt. Man vergisst diese Tatsache schnell, da nur die Fundamentalisten einer Religion in unterschiedlichen Weltgegenden gegen ihre andersgläubigen Mitbürger mit Gewalt vorgehen: fundamentalistische Moslems gegen Hindus in Indien, fundamentalistische Moslems gegen Buddhisten in Thailand, fundamentalistische Moslems gegen Juden in Israel, fundamentalistische Moslems gegen Christen in Darfur, fundamentalistische Moslems gegen Atheisten in Europa usw. Aber da ein Film über islamischen Fundamentalismus sich schon aus Sicherheitsgründen verbietet, versteckt man die muslimischen Fundis zwischen Christen und Juden.
Fundamentalistische Christen sind selbstverständlich die Evangelikalen in den USA. Begründung: sie setzen sich aus religiösen Gründen bei politischen Nahostkrisen für Israel ein, außerdem glauben sie nicht an die Evolution, sondern an die biblische Schöpfungslehre.
Die fundamentalistischen Juden werden von einer Siedlerin repräsentiert, die davon überzeugt ist, dass Gott das Heilige Land den Juden versprochen hat. Von Gewalt oder einem Gottesstaat hält sie nichts: "Wir sind sicher nicht wie die islamischen Fundamentalisten, die mit Terrorismus und Massenmord einen Gottesstaat errichten wollen."
Das Vorzeigen der christlichen und jüdischen Fundamentalisten nimmt ca. 35 Minuten in Anspruch, bleiben also noch knapp zehn für die Islamisten.
Aber: man traut sich nicht ran. Gezeigt werden Straßenszenen aus dem Jemen, verschleierte Frauen ("Tradition"), niedliche Kinder. Ein freundlicher muslimischer Händler läd zum Essen, nach Geschlechtern getrennt, aber auch das ist Tradition. Man erfährt, das nur Jungen das Geschirr und die zubereiteten Speisen bereitstellen dürfen und auch nur Jungen dürfen nach dem Essen wieder abräumen. Interessant, aber was hat das mit Fundamentalismus zu tun?
Zum Schluss ein Besuch in der Bibliothek einer Moschee: ein alter, ebenfalls sehr freundlicher Scheich führt stolz alte Prachtausgaben des Koran vor. Fundamentalismus?
Ein bisschen "Befreiungsrhetorik", mehr nicht. Auf jedem Berliner Schulhof erfährt man mehr über islamischen Fundamentalismus, als in dieser "Reportage" aus dem zutiefst friedlichen Jemen.
Fazit: Fundamentalismus gibt es hauptsächlich unter Christen und Juden, in den USA und in Israel. Muslime haben nur Traditionen und sind ansonsten sehr sehr friedlich. Amen.
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Es gibt zum Glück auch Filme, die vom üblichen Schwarz-Weiß-Schema abweichen, wie zum Beispiel "Sharon", ein Portät des durchaus auch im eigenen Land umstrittenen PMs Ariel Sharon, oder "Wenn ihr wollt, ist es kein Märchen" über die Embryonalphase Israels.
Samstag, 3. Mai 2008
Gut gemeint ...
Die Flaggen, die den Wochenendzeitungen beigelegt wurden, haben einen kleinen Schönheitsfehler: Der Davidstern ist um 45° verschoben.
Waren die Chinesen schuld, wie der Radiomoderator Rothman vermutet?
Donnerstag, 1. Mai 2008
Wirklich reich...
Und daran wird sich sobald auch nichts ändern, der Ölpreis bricht fast wöchentlich neue Rekorde.
Doch auch der Scheich hat mal klein angefangen. Der Spiegel berichtete 1948 aus der saudischen Wüste:
Auch Ibn Saud, den die Araber bei seinem ersten Namen Abdul Aziz ("Diener des Mächtigen") nennen, ist mit seinen amerikanischen Freunden zufrieden. Für jedes Faß Oel erhält er 21 Cent, der höchste Ertragsanteil, der irgendwo auf der Welt gezahlt wird. Da die ARAMCO [Arabian-American Oil Company] täglich 250000 Faß produziert, kann der König alle 24 Stunden 52.5 Dollar und jährlich ungefähr 20 Millionen Dollar einkassieren. Ende 1949 wird es doppelt soviel sein.Ein Barrel Öl kostete 1948 ca. 2$, der Anstieg auf 5$ pro Fass löste 1973 die erste Ölkrise aus. Inzwischen fördern die Saudis bei einem Ölpreis von über 100$ 8 Millionen Barrel Öl pro Tag, die Nettoeinnahmen pro Jahr aus Rohölexporten belaufen sich auf 25-30 Mrd. Dollar.
Ob in Riyadh den Kindern Gruselgeschichten aus der schlimmen Zeit erzählt werden, als die Königssippe noch mit 52$ pro Tag auskommen musste? Die Wünsche des Scheichs waren 1948 entsprechend bescheiden:
Wie jeder andere Neureiche machte sich Ibn Saud auf den Bummel, kaufte Wagen auf, Radios, Kühlschränke und Einrichtungsgegenstände für seinen Palast. In seiner Hauptstadt Riyadh ließ er elektrisches Licht installieren und eine gepflasterte Straße bauen. Die ARAMCO fungierte dabei als Kaufagent des Königs. Sie besorgte ihm alles, von den Seidenstoffen für seine Frauen bis zu den elektrischen Generatoren.Für das Wohlergehen der Einheimischen sorgten die amerikanischen Freunde:
Die ARAMCO hat für arabische Kinder Schulen und für ihre amerikanischen Angestellten obligatorische arabische Sprachstunden eingerichtet. Sie lehrt die Araber moderne Landbearbeitungsmethoden, ermuntert sie, in Geschäfte einzusteigen und bohrt, was die Bewohner der Wüste dankbar vermerken, kostspielige Wasserbrunnen.Und auch sonst verhielten sich die Amerikaner wie brave Dhimmis:
Die 2000 amerikanischen ARAMCO-Angestellten halten den Freitag, den Sabbath der Moslems, als Ruhetag ein. Der Sonntag ist ein gewöhnlicher Arbeitstag. Glocken, die man für die Schulen der Gesellschaft aus Amerika mitgebracht hatte, wurden wieder entfernt, als die Araber daran Anstoß nahmen, weil sie das Glockenläuten an die christlichen Kirchen erinnerte.
Da kein frommer Moslem alkoholische Getränke anrühren wird, nicht einmal, um sie zu servieren, zeigte sich die ARAMCO nachsichtig und importierte indische Hausjungen. Die Arbeit wird dreimal täglich unterbrochen, damit die arabischen Arbeiter beten und sich in Richtung Mekka verbeugen können. Die Gesellschaft stellt Plätze zum Gebet und zum vorherigen Händewaschen bereit.
Gastarbeiter in Saudi-Arabien: sie erschließen Ölvorkommen, investieren Hunderte Millionen Dollar in die Infrastruktur, kümmern sich um die Bedürfnisse der Bevölkerung (Schulen, Wasserversorgung, Landwirtschaft) und achten die Kultur der Gastgebers.
Und der Scheich war zufrieden mit seinen Dhimmis. So zufrieden, dass er die Amerikaner nicht für die Politik ihrer Regierung bestrafte. Ibn Saud drohte nur ein bisschen:
"Ich habe meinem Bruder [Abdullah von Transjordanien] mitgeteilt, daß ich bereit bin, mich und meine Söhne für Palästina darzubringen. Ich füge jetzt hinzu, daß Erdöl mir nicht teurer ist als meine Söhne. Die Konzessionen werden annulliert, wenn die Umstände dies erfordern."Aber soweit kam es nicht. Die Dhimmis durften weiter Öl fördern und Geld ins Land pumpen. Wirklich großzügig, der Scheich.
Donnerstag, 24. April 2008
Goodwill visit
Eine Delegation des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages, wurde am 16. April bei der Besichtigung der Altstadt von Hebron von jüdischen Siedlern durch Beleidigungen und Drohungen so massiv gestört, dass die Besuchsroute geändert werden musste. Sicherheitskräfte waren vor Ort, griffen aber nicht ein. Jerzy Montag, Leiter der Delegation: "Wir wissen, es sind nur ganz wenige. Aber es ist nicht hinnehmbar, dass dem nicht ein Ende bereitet wurde." Soweit die Grüne Version.
Unschuldige Parlamentarier, die nur mal eben die Altstadt von Hebron besichtigen wollen und dann, ganz ohne Grund verflucht, beleidigt, bedroht und sogar als Nazis beschimpft werden. So böse sind also die Siedler von Hebron. Und dann werden die Freunde Israels auch noch von der IDF im Stich gelassen.
Die Deutschen waren so geschockt und aufgebracht, dass sie sich entschieden ihren Besuch abzubrechen und Israel unter Protest umgehend zu verlassen.
In der Version von Jerzy Montag fehlen zwei nicht ganz unwichtige Details.
Das erste: die sieben Deutschen waren nicht allein:
"Begleitet wurden die Parlamentarier von einer linksextremen Organisation, welche die jüdischen Siedler aus Hebron vertreiben will und die IDF und Israel verleumdet," so Noam Arnon, der Sprecher der Siedler. Abgeordnete aus europäischen Staaten ohne "feindliche Begleitung" sind lt. Arnon durchaus willkommen.
Das zweite: Nach Aussage des israelischen Außenministeriums war der Ausflug nach Hebron nicht mit den israelischen Behörden abgesprochen, daher konnten keine Vorbereitungen für die Ankunft der Delegation getroffen werden.
Dass die Siedler in Hebron nicht den Durchschnittsisraeli repräsentieren, sondern auch in Israel als Extremisten gelten, sollte bekannt sein. Dass sie von "Menschenrechtlern" regelmäßig als Anschauungsobjekt für die Unmenschlichkeit und Brutalität der israelischen Besatzer Touristengruppen vorgeführt zu werden, hat ihre Einstellung zu linksextremen Friedensaktivisten wohl auch eher negativ beeinflusst, es gab bei solchen Touren schon mehrfach Auseinandersetzungen zwischen Siedlern und "Touristen".
Die deutschen Politiker entscheiden sich trotzdem (oder deshalb) für einen Besuch Hebrons und nehmen ausgerechnet Yehuda Shaul und seine Freunde mit. Die Provokation gelingt, es gibt ein paar Beleidigungen (die nicht ausschließlich den Parlamentariern galten) - schon sich geben sich die Mitglieder des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages empört, reisen aus Protest Hals über Kopf ab, stellen Forderungen ("In order to give the peace process a chance, the members of the law committee, as friends of Israel, appeal to the Israeli authorities to rein in the fanaticism of Jewish settlers.") und verlangen eine Entschuldigung für das Verhalten der israelischen Sicherheitskräfte.
Dabei hätte ein Blick auf die Seite des AA genügt, um auf die Tour gänzlich zu verzichten:
Sicherheitshinweise für die Westbank
Von Reisen in die Westbank wird grundsätzlich abgeraten. Aufgrund der intensiven bewaffneten Auseinandersetzungen im Gazastreifen liegt aktuell auch im Westjordanland ein erhöhtes Risiko vor. ... Es wird empfohlen, die Lage in den Medien aufmerksam zu verfolgen, die tagesaktuellen UN Sicherheitshinweise zu beachten und Fahrten im Westjordanland auf das unerlässliche Minimum zu reduzieren. Fahrten in die nördliche Westbank (insbesondere Jenin, Nablus, Tulkarem), aber auch nach Hebron sollten gegebenenfalls eng mit dem deutschen Vertretungsbüro in Ramallah abgestimmt werden.
Von überflüssigen Fahrten wird ausdrücklich abgeraten, für die deutsche Delegation zählt ein Besuch Hebrons demnach zum "unerlässlichen Minimum". Warum? Ein Blick auf das Besuchsprogamm lässt die Antwort erahnen: Baruch Goldsteins Grab, das Erzvätergrab, die Shuhadastrasse, die von den Siedlern bewohnten Gebiete und der Besuch einer palästinensischen Familie.
Eine Reise, die Vorurteile gegenüber Israel schürt ist für deutsche Politiker (die sich im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages im übrigen gar nicht mit dem Nahostkonflikt befassen) wohl wirklich unerlässlich - liefert sie doch die Munition für die berechtigte Israelkritik, die zu üben jeder Freund Israels verpflichtet ist. Wie praktisch, da schon mal das konzentrierte Böse in Form der Hebronsiedler mit eigenen Augen gesehen und bei einem Gläschen Pfefferminztee von der Brutalität der Israelis mit eigenen Ohren gehört zu haben.
Der israelische Botschafter in Deutschland, Yoram Ben-Zeev, hat sich
bereits bei den Politikern entschuldigt. Von einer Entschuldigung der deutschen Regierung für das inakzeptable Verhalten ihrer Delegation ist nichts bekannt.
Mittwoch, 9. April 2008
Der Name des Spitzels
Es war einmal ein Stasispitzel, dessen Namen heute niemand wissen soll. Nennen wir ihn S.
S. schlich sich 1980 unter seinem bürgerlichen Namen bei der Jungen Gemeinde in Reichenbach ein, seine Freunde vom MfS nannten ihn "IM Schubert". Die hatten an ihrem jungen Spitzel viel Freude, schließlich konnten sie schon nach kurzer Zeit aufgrund seiner Berichte vier Staatsfeinde einsperren. Für die hervorragende Leistung zeigte sich die Stasi erkenntlich: Geld, Reisen, Kredite - das Spitzelhobby brachte S. ordentlich was ein.
Und so blieb er dabei. Aus dem Oberschüler S. wurde der Student S., sein neues Revier war die Studentengemeinde in Freiberg. "Im Alter von 22 wurde "Schubert" im Auftrag der Staatsmacht Christ." (Spon) S. ließ in Freiberg von dem Studentenpfarrer Klaus Goldhahn, einem "Zielobjekt" taufen - auch auf der Taufurkunde steht sein "richtiger" Name.
S. spitzelte bis November 1989 für die Stasi, wie vielen Menschen aufgrund seiner Berichte das Leben zur Hölle gemacht wurde, ist unbekannt. Denn nicht immer wurden Stasiopfer sofort verhaftet, verurteilt oder in den Westen abgeschoben (letzteres passierte wohl hauptsächlich der DDR-Oppositionsprominenz). Nach dem offenen Terror der Ulbrichtjahre setzte das MfS zunehmend auf die "Zersetzung" von "feindlich-negativen" Individuen und Gruppen.
Sandra Pingel-Schliemann beschreibt in ihrer Studie „Zersetzen. Strategie einer Diktatur“ Ziele und Strategien dieser Unterdrückungsmethode.
Zersetzungsmaßnahmen sollten "das Selbstvertrauen und das Selbstwertgefühl eines Menschen untergraben, Angst, Panik, Verwirrung erzeugen, einen Verlust an Liebe und Geborgenheit hervorrufen sowie Enttäuschungen schüren - also all solche Gefühle, die einen Menschen unglücklich und unzufrieden machen."1
Und die Stasi hatte keinerlei Skrupel bei der Wahl ihrer Mittel. Strategien der Zersetzung gegen Individuen waren zum Beispiel das Inszenieren beruflicher Misserfolge, das Zerstören von Liebesbeziehungen, das Entfremden der Kinder von ihren Eltern, das Verbreiten von Gerüchten (Unterstellen einer Kooperation mit dem MfS z.B.), falsche ärztliche Gutachten (3-5% der DDR-Ärzte arbeiteten für das MfS),demonstratives Beobachten, Telefonterror oder das Kriminalisieren wegen unpolitischer Delikte.
Ein wesentliches Charakteristikum der Zersetzung war Anonymität - die Betroffenen selbst konnten die Verfolgungsmaßnahmen häufig nicht mit dem MfS in Verbindung bringen und selbst wenn sie es vermuteten, konnten sie es nicht beweisen oder sich dagegen zur Wehr setzen. In der Regel machten die Opfer andere für die Krisen verantwortlich, die Familie, die Freunde, Mitglieder aus der Oppositionsgruppe, was zu neuen Konflikten führte, weil die Vorwürfe unberechtigt waren.
Pingel-Schliemann: „Betroffene mussten sich gar von anderen vorwerfen lassen, das sie halluzinieren. In der Folge begannen sich einige selbst für „verrückt“ oder „krank“ zu erklären. Die Wirkung anonymer Verfolgung ist nicht zu unterschätzen. MfS-Mitarbeiter drangen zum Beispiel mit Nachschlüsseln in die Wohnung eines ihrer Opfer ein, um dort Gegenstände neu zu sortieren. Einmal verhängten sie die Bilder in der Wohnung von Frau R. Beim nächsten heimlichen Einbruch verstellten sie nur die Gewürzdosen in der Küche. Ein anderes Mal tauschten sie den Lieblingstee der Frau durch eine andere Sorte aus. Die Mitarbeiter kamen wieder und wieder. Sie ließen sich jeweils etwas Neues einfallen. So hängten sie auch die Handtücher in dem Badezimmer von Frau R. ab und ordneten die Blumentöpfe auf ihren Fensterbänken neu. Als Frau R. ihren Freunden von den Vorgängen in ihrer Wohnung erzählte, glaubten sie ihr nicht: “Wir konnten uns doch auch nicht erklären, warum einer die Handtücher abhängen sollte.“ ... Psychologen konstatieren: „Wer mit solchen Zersetzungsmaßnahmen bearbeitet wurde, war nicht nur irritiert, sondern hier begann ein Prozess der Realitätsdiffusion, der letztendlich eine Psychose auslösen konnte.“ 2 (S.196) Frau R., die als Ärztin am Anna-Hospital in Schwerin arbeitete, wurde auch in ihrer Berufsausübung massiv durch Mitarbeiter des MfS (der Chefarzt war IM) beeinträchtigt. Die Zersetzungsstrategie war -aus Sicht des MfS- erfolgreich. Wenige Monate nach dem politischen Umbruch in der DDR nahm sich Frau R. das Leben.
An die für diese Zersetzungsmaßnahmen notwendigen Informationen gelangte das MfS unter anderem durch die Arbeit seiner IM. „Es galt in der geheimpolizeilichen Arbeit immer der Grundsatz: den „schwächsten Punkt“ oder die „empfindlichste“ Stelle der verfolgten Person herauszufinden. Jedes Detail aus dem Leben einer oppositionellen Persönlichkeit, all ihre Stärken und Schwächen wurden für den Staatssicherheitsdienst von Interesse.“ (S.198)
IM wurden mit ganzen Fragekatalogen auf ihre Opfer angesetzt, darunter völlig Banales (Wo stellt X sein Auto ab?) aber auch viel Persönliches (Verhältnis zur Ehefrau, zu den Kindern, Verhalten und Kontakte der Ehepartner und Kinder).
Heute verstecken sich die Täter hinter der vermeintlichen Harmlosigkeit ihrer Handlungen. Ein paar Blumentöpfe verrücken, Tee austauschen, Handtücher umhängen - na und, alles kein Verbrechen, hat keinem geschadet, Schwamm drüber. Ein paar Informationen weitergegeben, die sich jeder hätte beschaffen können, was soll daran schlimm sein? Und sie kommen damit durch, das Verständnis für den „kleinen IM“ ist im Osten nahezu unbegrenzt.
Im Rahmen der Ausstellung „Christliches Handeln in der DDR“ wurde einer dieser IM, S., namentlich genannt. S. alias „IM Schubert“ streitet seine Arbeit für die Stasi nicht ab, er fühlt sich also verleumdet, sondern in seinen Persönlichkeitsrechten eingeschränkt. Und bekommt auch noch vor dem Zwickauer Verwaltungsgericht recht! Vorläufig.
Des Ex-Spitzels Anwalt Thomas Höllerich, Politiker der SED PDS Partei "Die Linke", fürchtet gar Pogrome gegen Ex-Spitzel:
"Irgendwann werden dann Horden von Menschen, die einen roten Stern und einen Aufdruck IM haben durch Reichenbach getrieben, weil das Geschichtsaufarbeitung ist." Hier im Original zu hören: http://www.mdr.de/laenderzeit/5365450.html
Wie viele Ex-IM gibt es, wenn Höllerich befürchtet, ganze „Horden“ von ihnen könnten allein durch das kleine Reichenbach getrieben werden? Sind die Täter von damals wirklich die Opfer von heute, nur weil einer von ihnen aus seiner Anonymität geholt wird?
Nein, die Täter von gestern haben keine Angst vor ihren Opfern. Sie brauchen die Anonymität, das Verschweigen ihrer Vergangenheit, um heute ungestört die Strippen ziehen zu können.
1) Sandra Pingel-Schliemann, Zersetzen. Strategie einer Diktatur. Berlin 2004, S.188.
2).Ebd. S.196
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